Sonntag, 26. Oktober 2008

Was können wir aus der Finanzkrise für den Klimawandel lernen?

Mit Blick auf die Finanzkrise, die in den letzten Monaten in die Realwirtschaft schwappt, greift gerade die Neigung um sich, andere Probleme zu verdrängen. Der Zusammenbruch der Investmentbanken in den USA kostet gerade gut eine Viertel Million Menschen aus diesem Bereich die Jobs – ein großer Teil der Wallstreet verliert die Existenzgrundlage, da viele Recherche- und Analystenteams jetzt genauso wie die Mitarbeiter der betroffenen Banken nicht mehr benötigt werden. Der Einbruch der Baukonjunktur und die Schrumpfung der kreditfinanzierten Geschäfte (z.B. Autokäufe, Autoleasing) inklusive der Zulieferer bedrohen in den USA aber bereits mehr als eine Million Stellen. Schätzungen von 25 Millionen Entlassungen in betroffenen Branchen weltweit stehen im Raum, aber in Wahrheit ist die Dimension des anstehenden Wandels noch nicht klar. Für eine Kapitalismuskritik taugt das alles nichts, weil ja viele dieser Stellen erst auf der Basis einer Kreditwirtschaft ermöglicht wurden. Man kann schlecht freudig die vielen Jobs in Anspruch nehmen, die durch Investmentgeschäfte und kreditgetriebene Expansionen möglich werden und dann darüber schimpfen, daß eine so von Krediten getriebene Wirtschaft konjunkturelle Schwankungen hat, die sich manchmal stärker aufschaukeln können. Aber es gibt in solchen Situationen verzeihliche und dumme Fehler, und die dummen Fehler kann man vermeiden.

Als in den 70er Jahren in den USA die Regelungen gesetzt wurden, daß Schuldenmachen fürs Eigenheim ohne Reue möglich wurde (d.h. man hat das Recht, wenn der Wert des Hauses unter den Kredit fällt, das Haus der Bank zur Verwertung zu geben und damit den Kredit abzulösen), konnte man wohl nicht ahnen, daß dieses eines Tages die USA in eine Kreditblase treiben wurde. Aber wenn in den letzten Jahren zunehmend davor gewarnt wurde, daß die Situation auf den Kreditmärkten und die Abhängigkeit von unendlich steigenden Hauspreisen nicht mehr gesund ist (übrigens nicht nur in den USA, auch z.B. in Spanien und im Vereinigten Königreich gab es Immobilienblasen), hätten die Profis zumindest ihre Abhängigkeit von solchen heißgelaufenen Märkten schrittweise reduzieren müssen. Wie quälend langsam solche Abhängigkeiten über weitergereichte Kredite an Instituten auch in Deutschland zugegeben wurden, zu Abschreibungen führten, bis dann das Vertrauen an den Märkten gründlich ruiniert war, war sicher ein zusätzlicher Antrieb für den Abschwung. Es wird jetzt auch von vielen Seiten genau das kritisch gesehen, was die US-Notenbank unter Alan Greenspan betrieben hatte: Abschwünge durch frühzeitige und massive Geldmengenausweitungen abzufedern. Das führte zwar zu einem lange anhaltenden Boom in den USA, von dem natürlich auch unsere Exportwirtschaft profitiert hatte (was gerade auch gerne vergessen wird), aber es nährte auch immer wieder neue Blasen und unterdrückte das, wozu eigentlich Krise in der Marktwirtschaft gut sind: den Markt von ineffizienten Strukturen zu reinigen, nicht krisenfeste Betriebe pleite gehen zu lassen, damit gesunde Betriebe mehr Raum erhalten. Das erinnert an die Maßnahmen in der Forstwirtschaft, Waldbrände in Gebieten zu unterdrücken, wo sie von Natur aus gelegentlich vorkommen. Irgendwann hat sich soviel altes und totes Holz angesammelt, daß der unvermeidlich doch einmal auftretende Waldbrand so viel Material hat, daß er nun nicht nur den Wald aufräumt, wie der natürliche kleine Waldbrand, sondern ihn richtiggehend vernichtet und zum ökologischen Problem wird. Das Problem jetzt sind nicht untergehende Zocker, die es übertrieben haben, sondern daß an sich gesunde Unternehmen in einer extremen Krise mitgezogen werden. Auch das, was jetzt Greenspan als Fehler angelastet wird, war aus der damaligen Sicht nicht unbedingt so vorherzusehen. Man kann hoffen, daß die Lehre für die Zukunft verstanden wird, daß man in der Marktwirtschaft kleine Krisen auch mal zulassen muß, damit unter den Teppich gekehrte Probleme nicht irgendwann so groß werden, daß gleich der ganze Teppich fliegen geht.

Es gibt noch mehr, was ich verzeihen möchte, auch wenn vielleicht sachkundigere Personen das anders sehen. Island hat vor Jahren darauf gesetzt, daß es sich als internationaler Finanzplatz etabliert. Darauf hin sind agressiv kreditgetriebene Banken gewachsen, deren Bilanzsumme mehr als eine Größenordnung über dem Bruttoinlandsprodukt des Staates liegt. Die Strategie schien mal sinnvoll, um Island neben dem Fischfang ein zukunftssicheres Standbein zu verschaffen als eine Art Liechtenstein des Nordens. Im Nachhinein ist man dann schlauer und versteht, daß hier der Staat seinen eigenen Bankrott ermöglichte, denn Island kann natürlich jetzt die Schulden seiner, inzwischen verstaatlichten, Banken nicht mehr abdecken. Dumm wurde dieser Fehler vielleicht bereits, als man bei den ersten Krisenzeichen nicht mal abschätzte, was eine Bankenpleite für das Land eigentlich bedeuten könnte. Noch dümmer wirkt es allerdings, wenn man nun erfährt, wie massiv gerade deutsche Banken an die isländischen Banken geliehen hatten. Ca. 16 Milliarden Euro deutscher Kredite könnten eventuell abzuschreiben sein (unter anderem war das der Grund, daß die Bayerische Landesbank nun um staatliche Hilfe nachsuchte). Das an zweiter Stelle betroffene Land ist das Vereinigte Königreich mit ca. 4 Milliarden Euro. Wie konnten deutsche Banken sich nur so massiv in Island engagieren, wenn die ausgereichten Kredite doch noch nicht mal von der Realwirtschaft des gesamten Landes Island abgedeckt wurden? Versuchen Sie mal, von Ihrer Bank einen Kredit für den Kauf von Aktien für ein Vielfaches Ihres Vermögens und Ihres Jahreseinkommens zu erhalten. Da wäre es völlig egal, ob in Ihrer Kalkulation der erwartete Kursanstieg der Aktien den Kreditzins locker bezahlen würde. Aber die isländischen Banken durften das. Und nun drohen diese faulen Kredite deutsche Institute genauso mitzureißen, wie vorher die faulen Hypothekenkredite in den USA, die aus irgendeinem Grund deutsche Landesbanken, aber auch andere Institute mit besonderer Vorliebe gekauft hatten. Wenn Island fällt, reißt das im Dominoprinzip ausländische Banken mit.

Und es geht nicht nur um Island. Deutschland war auch der größte Kreditgeber in anderen Ländern, in denen sich Blasen aufgebaut hatten, nämlich Großbritannien, Irland und Spanien. Und es gibt weitere Länder, die schon vor dem IWF Schlange stehen, um Unterstützung zu erhalten. Ungarn ist das nächste Krisenland. Derzeit wertet die ungarische Währung massiv ab. Der Grund: Ungarn hat sein Wachstum vorwiegend auf Pump finanziert. Der Staat ist hoch verschuldet und zwar im Ausland, weil die eigene Wirtschaft zu schwach ist. Hier stehen erhebliche Abwertungen vor, die die ausländischen Investoren in Ungarn massiv treffen werden. Und wer investierte besonders gern in Ungarn?

Ein weiterer kippender Dominostein könnte Russland sein, dem gerade gleichzeitig die ausländischen Investitionen ausgehen, dessen Oligarchen sich teilweise verzockt haben und wo der Hauptdevisenbringer, das Erdöl, durch die weltweite Rezession einen Preisverfall erlebt. Was ist, wenn hier die, zugegeben noch großen, Devisenreserven aufgebraucht sind? Erst recht die Ukraine sieht sich vor Probleme gestellt, denn hier fehlen zusätzlich die hohen Devisenreserven, die die Verluste abfedern könnten. Wie sieht es überhaupt mit den Schwellenländern aus, die unserer Exportwirtschaft eigentlich zu Wachstum verhelfen sollten, die in der globalen Rezession aber den Preisverfall ihrer Rohstoffe erleben und gleichzeitig den Abzug des Auslandskapitals durchmachen müssen? Die Schwellenländer sind am weitesten von der Ursache der Krise, der Häusermarktblase in den USA entfernt. Trotzdem wird die globale Rezession hier die härtesten Opfer verlangen. Und über unsere Exportwirtschaft kommt auch das am Ende wieder bei uns an.

Jedes Unternehmen, das seine Insolvenz anmeldet, jede Bank die untergeht, jedes Land, das seine Kredite nicht mehr bedienen kann, reißt andere, die es vielleicht noch geschafft hätten, doch noch mit in den Untergang. Das ist die eigentliche Brisanz der Finanzkrise. Es ist ein Dominoeffekt, der nur aufgehalten werden kann, wenn schnell an möglichst vielen Stellen Dominosteine fixiert werden. Deshalb muß staatliches Geld notfalls sogar an schlimme Zocker ausgereicht werden, damit diese nicht in ihrem Fall auch gesunde Unternehmen mitreißen, auch wenn einem das gegen das innere Gerechtigkeitsgefühl geht. Und je später reagiert wird, desto teurer wird es. Jetzt ist die Zeit für staatliche Konjunkturprogramme, die der Realwirtschaft signalisieren, daß die Kreditklemme nicht auch noch von einer lange anhaltenden Rezession begleitet werden wird. Und damit kommen wir zu den dümmsten Fehlern, die man machen kann. Der dümmste Fehler ist, abzuwarten, weil man erst noch besser verstehen will, was passiert. In der Zeit läuft einem die Krise davon. Ein weiterer dummer Fehler ist es, in der Krise zu konsolidieren. Wenn die Hütte brennt, fängt man nicht an, sie feuersicher umzubauen, sondern man löscht erst mal. Jetzt also weitet man Schulden aus, gibt billiges Geld, investiert mit Staatsgeldern in der Wirtschaft, macht also alles das, was in normalen Zeiten falsch ist und gar die Blase vorher produziert hatte, die jetzt platzt. Weil nämlich die Alternative noch schlimmer ist, nämlich die Depression, wie es sie nach 1929 schon einmal gab.

Was hat das alles jetzt mit dem Klimawandel zu tun?

Ich hatte schon vorher auf das Problem hingewiesen, daß auch der Klimawandel einen Dominoeffekt nach sich ziehen kann, sogar auf mehreren Ebenen. Wenn Australien aufgrund anhaltender Dürren sich nicht mehr mit Nahrung versorgen kann, kann eigentlich der Rest der Welt als Nahrungslieferant einspringen. Wenn China aufgrund einer Wüstenausbreitung und des Verlustes großer Teile seiner Böden zunehmend auf Nahrungsmittellieferungen angewiesen ist, kann die Welt das auch auffangen. Wenn aber durch den Klimawandel an vielen Orten gleichzeitig Nahrungsmittel knapp werden, dann fangen die Dominosteine an, umzukippen. Es ist nämlich davon auszugehen, daß dann, wenn die Auswirkungen in China dramatisch spürbar werden, sie aller Wahrscheinlichkeit nach zugleich auch z.B. Indien und Südostasien treffen werden. Das heimtückische an einer Welternährungskrise ist, daß sie zu einem nicht vorhersagbaren Zeitpunkt und sehr plötzlich kommen wird. Obwohl wir also jetzt wissen, daß eine Ernährungskrise möglich ist, sind wir nicht in der Lage zu sagen, wann es sein wird. Dadurch sind wir aber auch nicht in der Lage, die Krise durch die vorsorgende Anlage von Vorräten abzufedern. Von einem Jahr auf das andere könnte plötzlich eine zuvor ausreichend versorgte Bevölkerung von Milliarden eine Nahrungsmittelknappheit erleben und darauf panisch reagieren.

Was danach passieren könnte, dürfte einfach unsere Vorstellungskraft sprengen. Gibt es Kriege um Nahrung oder Wasser? Keine Ahnung. Gibt es eine Massenflucht aus den Krisengebieten? Keine Ahnung. Werden die Weltmärkte so leer gekauft werden, daß hierzulande eine Hyperinflation einsetzt? Ich weiß es nicht. Das Szenario ist einfach unvorhersagbar, niemand will es vorhersagen, aber deshalb wird es auch nicht möglich sein, sich darauf vorzubereiten. Sicher ist aber, daß Europa sich hier nicht abkoppeln kann. Über die Weltmärkte oder Kriege oder den massenhaften Ansturm von Hungerflüchtlingen wird Europa auch dann betroffen sein, wenn die Auswirkungen des Klimawandels hierzulande moderat sind.

Wenn wir etwas aus der Finanzkrise lernen wollen, dann sollte es folgendes sein:

  • Man muß den schlimmsten Fall, der denkbar ist, in der Planung berücksichtigen, weil denkbare Fälle solche sind, die auch irgendwann eintreffen, weil wir in einer Welt leben, die nach und nach alle Situationen durchspielt, bis mal die kommt, bei der der schlimmste Fall eintreten kann. In diesem Fall heißt das, wir müssen eine Entwicklung berücksichtigen, bei der die Klimaänderung den dramatischsten Modellvorhersagen entspricht und die Folgewirkungen den schlimmsten Verlauf nehmen. Nicht, weil dies auch entfernt wahrscheinlich wäre, sondern deshalb, weil man es nicht absolut sicher ausschließen kann.
  • Ein gewisses Wissen darüber, was passieren könnte, kann zu einem falschen Eindruck führen, daß man die Situation beherrscht. Bei den riskanten Papieren wusste man, daß sie riskant waren, aber weil man dieses Risiko bewertet hatte, glaubte man, es sei beherrschbar. Den Dominoeffekt eines Fälligwerdens aller Risiken zugleich hatte man aber als zu unwahrscheinlich nicht berücksichtigt. Alle Klimaprognosen, Klimaschutzprogramme und Bewertungen der Klimafolgen dürfen die Entscheidungsträger, die Politiker, nicht dazu verführen zu glauben, das Problem sei damit schon beherrscht.
  • Man muß sich für zukünftige Risiken immer Risikopuffer schaffen. Die ersten Banken, die untergingen, waren die, die am stärksten auf hohen Profit getrimmt waren und mit der höchsten Kreditquote arbeiteten. Je mehr an Eigenkapital da ist, je mehr auch margenschwächeres Geschäft mit größerer Sicherheit zur Bank gehörte, desto sicherer standen die Banken da. Daß Deutschland trotz aller Fehler noch relativ stark dasteht, verdankt es der Tatsache, daß bei uns die Sparneigung groß ist, auch wenn dies immer zu Lasten unseres Wirtschaftswachstums ging. In der Klimapolitik heißt es, Vorsorgemaßnahmen für eine stärkere globale Temperaturerhöhung zu treffen, auch wenn dies erstmal hohe Kosten verursacht.
  • Die Schwellen- und Entwicklungsländer wird es weit härter treffen als uns, aber das heißt nicht, daß es Deutschland gar nicht trifft. Indirekt wird die Klimakrise doch wieder über eine globale Depression, über Flüchtlinge und politische Krisen auf uns zurückkommen. Wir müssen also aus eigenem Interesse Klimaschutz in den Schwellen- und Entwicklungsländern betreiben.
  • Man muß handeln, bevor die Krise eintritt und sogar, bevor jemand eine Krise für wahrscheinlich hält. Wir müssen jetzt die Emission von Treibhausgasen verhindern, nicht erst dann, wenn wir die Auswirkungen spüren. Dann ist es zu spät und wir würden der Krise hinterherlaufen. Je früher Maßnahmen getroffen werden, desto billiger sind sie, weil wir jetzt noch die Abläufe selbst steuern können. Wenn der Klimawandel voranschreitet und negative Klimafolgen eintreten, müssen wir Notmaßnahmen treffen und haben nicht mehr die Wahl, die besten Mittel auszuwählen. Bei einer solchen Krise sähe ich sogar unsere Verfassung in Gefahr, weil Politiker dann argumentieren würden, daß es um das nackte Überleben geht.

Die heutige Finanzkrise hat ihren Ursprung in einer politischen Entscheidung in der Carter-Ära vor 3 Jahrzehnten. In der Folgezeit sind viele Entscheidungen an verschiedenen Stellen erfolgt, die alle für sich genommen durchaus in ihrer jeweiligen Zeit sinnvoll erschienen. Im Zusammenwirken haben diese aber zusammen einen Ablauf aufgebaut, der innerhalb von einigen Monaten in eine Finanzkrise mit anschließender globaler Rezession führte bzw. noch führt, und nur dramatische Eingriffe aller Staaten, die vor wenigen Monaten noch als undenkbar galten, werden eine globale Depression abwenden, und auch das ist noch nicht völlig sicher. Wenn die Klimapolitik auf ihrem jetzigen Pfad weiterläuft, werden in 50, vielleicht auch schon 30 Jahren auch unaufschiebbar Notmaßnahmen eingeführt werden müssen, die uns jetzt noch undenkbar erscheinen. Daher müssen wir jetzt die nötigen Maßnahmen einführen, um den weiteren Anstieg der Treibhausgasemissionen in weniger als 10 Jahren zu beenden und dann rasch so weit zu senken, daß die Treibhausgaskonzentrationen nach 2030 nicht mehr steigen. Vielleicht ist es schon zu spät dafür, aber wir sollten es zumindest versucht haben.

Montag, 20. Oktober 2008

Neues zu CO2 und Temperaturentwicklung in den letzten 1000 Jahren

Den Treibhauseffekt hatte ich auf diesen Seiten bereits erklärt, gleichwohl es dafür ausführlichere und bessere Quellen gibt. Wir wissen, aufgrund der Spurengasbilanz (wenn man einen großen Teil der verfügbaren Kohle-, Öl- und Gasreserven verbrennt, kann man berechnen, wie groß die damit ausgestoßene CO2-Menge ist) und aufgrund von Messungen von Gaseinschlüssen im ewigen Eis, daß der Anstieg der CO2-Menge in der Atmosphäre in den letzten über 100 Jahren ausschließlich auf menschliche Ursachen zurückzuführen ist. Aus diesem Grund definiert man auch gerne den für ca. 1750 bestimmten Wert des CO2-Mischungsverhältnisses von 280 ppm als den natürlichen Hintergrund. Tatsächlich wissen wir aber nur sehr ungefähr, wie normal der Wert gerade in jener Zeit war. Die Messungen aus den Gaseinschlüssen sind messtechnisch anspruchsvoll und haben eine geringe zeitliche Auflösung. Daher ist es von besonderem Interesse, wenn man weitere Quellen zur Verfügung hat, um historische CO2-Werte zu bestimmen, gerade für die Zeit, in der man einigermaßen vernünftige Aussagen zur Temperaturentwicklung treffen kann. Eine alternative Möglichkeit ist die Bestimmung der Zahl der Stomata an Blattunterseiten. Blätter aus der Vergangenheit kann man z.B. aus Mooren gewinnen und mit der C-14-Methode datieren. Je mehr CO2 in der Atmosphäre war, desto weniger Stomata braucht eine Pflanze, um das Gas „einzuatmen“. Beide Größen sind daher antikorreliert. Unter dem folgenden Link kommt man zu einem Artikel von Van Hoof et al. in den Proceedings der National Academy of Sciences, 2008: A role for atmospheric CO2 in preindustrial climate forcing. Hier wird die Entwicklung des CO2-Mischungsverhältnisses für die letzten Jahrhunderte gezeigt (zwischen ca. 1000 und 1500). Man sieht dabei Fluktuationen mit einer Spanne von über 30 ppm, die man nicht auf menschliche Einflüsse zurückführen kann. Anscheinend ist die natürliche Variabilität des CO2 auch auf einer so kurzen Zeitskala größer, als es sich mit den Eisbohrkernanalysen zeigen lässt. Die daraus abgeleitete Spanne der globalen Temperaturänderungen könnte je nach Sensitivität für CO2-Änderungen bis zu fast 0,3 Grad betragen. Im Rahmen der Unsicherheiten ist das alles nicht wirklich unvereinbar mit der Darstellung in den IPCC-Berichten. Es stellt sich daher die Frage, warum die Autoren meinen herausstellen zu müssen, daß ihre Ergebnisse den IPCC-Berichten in einigen Punkten widersprechen würden. Im Kern bleibt, daß der natürliche Hintergrund des CO2-Mischungsverhältnisses vielleicht unschärfer definiert ist, als ursprünglich angenommen. Voraussetzung dafür ist, daß der Einwand von Grumbine in seinem Blog nicht zum Tragen kommt, daß die CO2-Fluktuationen von lokalen Ereignissen geprägt sein können – immerhin könnte so ein Sumpf oder Moor, aus dem man die Blätter zur Analyse gewinnt, je nach Temperatur eine stärkere lokale CO2-Quelle sein. Haben die Autoren recht, dann könnten die Meere in der Vergangenheit recht dynamisch CO2 ausgegast oder aufgenommen haben, in Wechselwirkung mit globalen oder regionalen Temperaturschwankungen. Das würde auf einen stärkeren Rückkopplungseffekt der beiden Größen hinweisen. Die globale Temperatur wäre also etwas stärker sensitiv zu der CO2-Konzentration und schwächer zu Vulkane und Sonneneinstrahlung als derzeit im Mittel angenommen wird. Aber bevor man so weitreichende Schlüsse zieht, sollte doch lieber diese Analyse noch mal untersucht werden, es sollten Blätter aus anderen Quellen herangezogen werden und alternative Erklärungen für die beobachteten Abweichungen zwischen Eisbohrkerndaten und Stomatadaten für CO2 untersucht werden.

Sonntag, 19. Oktober 2008

Rezession für den Umweltschutz?

Die Finanzkrise der Banken hat Auswirkungen auf die Realwirtschaft, die möglicherweise in der nächsten Zeit zu einem Stagnieren oder Schrumpfen der Bruttoinlandsprodukte in vielen Staaten führen. Die Finanzkrise stammt letztlich aus einer Besonderheit der amerikanischen Gesetzgebung. Wenn in den USA für den Kauf eines Hauses eine Hypothek aufgenommen wird, ist das Risiko für den Schuldner klar begrenzt. Fällt der Wert des Hauses unter den Wert des Kredits, kann der Hausbesitzer statt der weiteren Kreditrückzahlung das Haus an die Bank geben und sich eine bescheidenere Bewohnung zu einem maßvolleren Kredit suchen. Das Risiko trägt die Bank, die nun das Haus weiterverkaufen muß und den Rest zwischen Kredit und Verkaufserlös abschreiben muß. Wenn, wie jetzt, die Hauspreise fallen, und viele Banken gleichzeitig Häuser auf den Markt werfen, daß die Nachfrage nicht nachkommt, summieren sich die Abschreibungen. Hat man die Kredite zu Paketen gebündelt und diese als Schuldpapiere weitergereicht, verteilen sich die nun heftigen Abschreibungen auf jeden, der diese faulen Kredite gekauft hatte. Unter Umständen gehen davon Banken mit besonders gierigen oder naiven Aufkäufern der Schuldtitel pleite. Wenn aber erst mal Banken pleite gegangen sind, möchte keine Bank mehr Geld an möglicherweise faule Schuldner weiterverleihen. Die Banken hocken auf ihrem Geld und alle, die kurzlaufende Kredite ersetzen müssen, bekommen plötzlich kein Geld mehr. Sie mögen noch nach wie vor Werte haben, die ihren Krediten entsprechen und sie mögen langfristig mit Gewinn arbeiten, aber kurzfristig können sie ihre Verpflichtungen nicht mehr decken und sind daher illiquide. Die Folge ist, daß wie ein Dominostein den anderen ein Unternehmen, das insolvent wird, seine Gläubiger, die damit abschreiben müssen und kein frisches Geld mehr erhalten, mitreißen. Als erstes fallen die Banken, dann die hochverschuldeten Industrieunternehmen und Dienstleister, dann ihre Zulieferer, Ausrüster und Geschäftspartner, schließlich bricht der Konsum weg, weil die Menschen Angst bekommen, demnächst ohne Arbeit dazustehen.

Weil also in den USA für das Eigenheim Schuldenmachen ohne Reue möglich ist (oder war – im Moment bekommt man nicht mehr so leicht einen Kredit), müssen nun weltweit Volkswirtschaften mit einer Rezession rechnen, bis die Banken wieder wissen, wem sie trauen und neu Geld leihen können. Das ist, sehr grob vereinfacht, unsere gegenwärtige Lage, und der Grund, warum die Staaten im Moment 100-Milliardenbürgschaften anbieten, damit diese selbstmörderische „Wer-kippt-als-Nächster“-Haltung verschwindet. Bürgschaften anzubieten, ist im übrigen recht billig, denn sie erzeugen den bekannten Gläubiger-Reflex: „Gib mir sofort das geliehene Geld zurück! Was, du kannst es sofort zurückzahlen? Dann behalte es ruhig weiter und zahl Zinsen. Aber wenn du es nicht sofort zurückzahlen kannst, dann will ich es sofort haben.“ Bürgschaften sorgen oft dafür, daß ihre pure Existenz bereits verhindert, daß sie fällig werden. Und die wenigen Prozent davon, die vielleicht doch getogen werden müssen, sind immer noch billiger, als die anhaltende Depression kosten würde, wenn es die Bürgschaften nicht gäbe. Wobei natürlich eine echte Rezession Folgeschäden hat. Zum Beispiel explodieren dann auch die faulen Kreditkartenschulden und Autokredite, wenn die Schuldner ihre Jobs verlieren oder auf Pump gekaufte Aktien an Wert verlieren.

Was aber ist die Folge einer solchen Rezession? Zunächst mal geht der Ölpreis zurück. Vom Hoch bei gut 140 Dollar je Barrel sind wir inzwischen unter 70 Dollar je Barrel Rohöl gefallen (je nach Sorte). Dahinter stecken die Erwartungen für den kommenden Ölverbrauch, denn die fallende Produktion in einer Rezession bedeutet eine Reduzierung des Energieverbrauchs. Aus Sicht des Umweltschutzes ist das vordergründig ein positives Ereignis. Weniger Energieverbauch und weniger Beton bedeutet immer auch weniger CO2 in der Atmosphäre. Aber langfristig wird die Rechnung komplizierter. Teilweise bedeutet eine Rezession nämlich nur, daß so oder so fällige Investitionen und Anschaffungen verschoben werden. Der Umwelt ist damit nicht wirklich geholfen. Noch schlimmer ist dabei aber, daß der Ersatz öl- oder stromschluckender Altgeräte durch sparsamere neue Geräte aufgeschoben wird. Und da schlägt das Energiesparen durch Rezession in ein Energieverschwenden um. Schließlich fehlt durch die Rezession das Geld für den Aufbau einer neuen CO2-armen Infrastruktur. Hybridautos, Windräder und Solaranlagen brauchen für ihren Bau zunächst mal Kapital. Und das wird in Phasen des Wirtschaftswachstums und des lockeren Geldes aufgebaut, nicht in der Rezession, wenn die Banken das Geld festhalten, weil sie Angst vor platzenden Krediten haben.

Hier zeigt sich wieder, daß die Rechnungen mit den Staaten, die bis zum Datum x mindestens y% CO2-Emissionen einsparen sollen, das Problem nicht richtig beschreiben. Besser wäre es, es würde vorgegeben, wieviel g CO2 der Euro Bruttoinlandsprodukt erzeugen darf, denn dann würde es auch einen Unterschied machen, ob die Einheit Wirtschaftswachstum im energieoptimierten Europa oder mit viel CO2 erzeugender Braunkohle im energieverschwendenden China entsteht. Auf den kleinen Einbruch beim Energieverbrauch wird schnell ein längere Phase kommen, bei der der Energieverbrauch stärker wächst als es ohne Rezession der Fall gewesen wäre. Einziger Hoffnungsschimmer ist bislang, daß die EU an ihrem Ziel einer CO2-Emissionsminderung um 8% für die 15 alten EU-Staaten bis 2012 festhalten möchte – das ist wenig genug, aber ein positives Zeichen in einem Umfeld, in dem manche Staaten (z.B. Polen) mit Hinweis auf die Verluste durch die Finanzkrise gerne Maßnahmen zum Klimaschutz verschieben würden.

Donnerstag, 16. Oktober 2008

Der Sinn von Umfragen zum Klimawandel

Es besteht ein großes Interesse daran, zu wissen, was Menschen meinen, um zu wissen, wie man sie beeinflussen kann oder wie man sich verhalten soll, wenn man von der Meinung der Menschen abhängig ist (vor allem, wenn man Produkte auf den Markt werfen will, inklusive Waschmittel, Parteiprogramme und Politiker). Niemand käme auf die Idee, aus der Tatsache, daß viele Menschen eine bestimmte Meinung haben abzuleiten, daß diese Meinung wahr wäre. Wir trauen der Mehrheit durchaus zu, daß sie sich für den dümmsten, gleichwohl aber charismatischsten Kandidaten und das Waschmittel mit dem schönsten Namen aber nicht der besten Wirkung entscheiden. Demokratie und Wäsche müssen mit diesem Makel auskommen, da die bisher getesteten Alternativen wie Diktatur und Planwirtschaft den Praxistest nicht bestanden haben.

Recht problematisch wird es daher, wenn man eine Meinungsumfrage unter den Menschen durchführt, „die es wissen müßten“. Dann nämlich neigt man dazu, die so erforschte Meinung mit dem vorhandenen Wissen zu verwechseln. Solche Umfragen werden dann auch gerne von Menschen mißbraucht, die mit dem etablierten Wissen nicht einverstanden sind. Im einfachsten Fall wird eine nicht repräsentative Umfrage auf einer falsch deklarierten Referenzgruppe gestartet, z.B. indem man unkontrolliert Menschen mit vage akademischen Hintergrund teilnehmen lässt, die mitteilen sollen, ob sie ein bestimmtes Pamphlet unterzeichen, und diese als Wissenschaftler ausgibt, deren Meinung dann bei einem speziellen Fachthema relevant sein soll. Tatsächlich ist so etwas ohnehin keine Umfrage, sondern nur eine Unterschriftenliste, bei der sich natürlich die Anhänger einer bestimmten Meinung ansammeln. Wenn man nicht weiß, wie groß die hypothetische Unterschriftenliste der Gegenseite ist, kann man daraus gar nichts schließen.

Der entscheidende Einwand ist aber, daß in der Wissenschaft der Erkenntnisstand das ist, was in relevanten Fachzeitschriften publiziert wird, die darauf folgende Kritik übersteht und im folgenden von anderen als nützliche, relevante und gesicherte Erkenntnis zitiert und weiter verwendet wird. Was das ist, wissen nur die Menschen, die auf dem Gebiet arbeiten, und das kann manchmal ein sehr kleiner Haufen sein, wenn es um recht spezielle Erkenntnisse geht.

Bray und von Storch haben 1996, 2003 und nunmehr auch 2008 eine Umfrage unter Menschen durchgeführt, die sie in einer Vorauswahl als Wissenschaftler auf dem Gebiet der Klimaforschung identifiziert hatten, und bei der sie einen umfangreichen Satz von Fragen stellten, von dem man nicht erwarten konnte, daß alle Befragten in gleicher Weise kompetent sind. Bei einer Rücklaufquote von unter 20% der Befragten habe ich zwar meine Probleme damit, daß man hier annehmen möchte, zu repräsentativen Ergebnissen zu kommen. Zudem sind erhebliche Zweifel angemeldet worden, ob die Formulierung und Auswahl der Fragen zu belastbaren Aussagen führen kann (hier eine deutsche Übersetzung eines Beitrags von Gavin Schmidt auf RealClimate). Aber mir ist dabei zusätzlich in einer Antwort von Bray auf die Kritik aufgefallen, daß er im Grunde unfreiwillig selbst ein gewichtiges Argument anführt, warum seine Umfragen problematisch sind. Es geht um folgende Frage in den verschiedenen Formulierungen von 2003 und 2008:

2008: How convinced are you that most of the recent or near future climate change is, or will be, a result of anthropogenic causes? (response range: 1 = not at all, 7 = very much)
(Wie stark sind Sie davon überzeugt, daß der Klimawandel zum größten Teil in der letzten Zeit oder nahen Zukunft eine Folge menschlicher Ursachen ist?)
7-5: 83,5% (mehr oder weniger davon überzeugt)
1-3: 11,1% (mehr oder weniger nicht dieser Meinung)

2003: Climate change is mostly the result of anthropogenic causes
(Klimawandel ist zum größten Teil Folge menschlicher Ursachen)
1-3: 56% (mehr oder weniger davon überzeugt)
5-7: 30% (mehr oder weniger nicht dieser Meinung)

Bray meinte, die ganze Kritik an der Umfrage von 2003 sei doch übertrieben, wenn man 2008 fast das gleiche Ergebnis bekommt. Doch gerade bei dieser Kernfrage ist das Ergebnis sehr unterschiedlich. 2003 schienen die Wissenschaftler demnach uneinig darüber zu sein, ob der Klimawandel vorwiegend von Menschen verursacht wird. Die Fraktion der Verfechter menschlicher Ursachen ist noch nicht mal doppelt so groß wie die der „Skeptiker“. 2008 plötzlich findet man eine überwältigende Mehrheit für den Menschen als Verursacher des Klimawandels. Die „Skeptiker“ sind eine unbedeutende Minderheit. Hat es zwischen 2003 und 2008 einen gewaltigen Wissensfortschritt gegeben, einen Paradigmenwechsel in der Klimaforschung oder überwältigende neue Beweise? Nein. Nur die Fragestellung hat sich in einem unbedeutend scheinenden Punkt geändert. Plötzlich wird ein Zeitraum angegeben, in dem der Klimawandel menschenverursacht sein sollte, nämlich „kürzlich und in naher Zukunft“. Damit hat man auf einen Schlag alle Wissenschaftler ins Boot bekommen, die vorher pedantisch die Frage so interpretierten, ob man auch über die Erwärmung vor 1950 oder über geologische Zeiträume den Menschen als Verursacher annehmen kann – natürlich nicht. Wenn die Ergebnisse so empfindlich davon abhängen, wie die Frage gestellt wird, ist wohl klar, daß die Umfrage von Bray und von Storch hoch problematisch ist. Schon als eine Soziologie der Klimaforscher, aber noch mehr, weil viele Menschen den oben genannten Fehler machen, Meinung mit anerkanntem Wissen zu verwechseln und weil die Aussagen der Klimaforschung nun einmal eine hochpolitische Sache geworden sind. Die Umfrage 2003, die suggerierte, daß die Wissenschaftler sich nicht ganz einig seien, war ja eine durchaus nützliche Argumentationsgrundlage für Menschen, die grundsätzlich Maßnahmen zur Minderung der weiteren Erwärmung aus politischen Gründen ablehnen. Die Umfrage von 2008 wird sicher auch ihre Liebhaber finden, die sich ihre Fragen herauspicken, immer in der falschen Annahme, Meinungen unter einer Gruppe von Wissenschaftlern hätten etwas damit zu tun, was der anerkannte Wissensstand auf einem Fachgebiet ist.

Sonntag, 12. Oktober 2008

Kann Australien überleben?

Vor ca. 60.000 bis 70.000 Jahren besiedelten die ersten Menschen Australien. Sie kamen auf einen Kontinent, der fremdartiger war als alle Länder, die sie zuvor besiedelt hatten oder zu denen ihre Artgenossen hernach noch kommen könnten. Der isolierte Kontinent hatte eine ganz andere Tierwelt, beherrscht von Beuteltieren, deren größte Vertreter die Größe eines Nashorns hatten (Diprotodon), von einem Riesenvogel Genyornis newtoni, der doppelt so schwer war wie der Vogel Strauß und von einer Riesenechse Megalania prisca (verwandt mit dem Großwaran), die gut 5,5 Meter lang werden konnte. Doch vor über 20.000 Jahren starben die größten Arten auf Australien, darunter die genannten aus. Man weiß nicht sicher, was passiert ist, damit Australien sein großes Artensterben erleben konnte, aber es gibt Hypothesen, die plausibel klingen. Nimmt man sie zusammen, dann klingt die Geschichte so:
Gegen Ende der letzten Eiszeit wurde es auf Australien noch trockener als ohnehin schon. Weniger trockenheitsbeständige Bäume starben ab. Beschleunigt wurde dies durch Buschfeuer, an die nur besonders resistente Arten wie die ölhaltigen Eucalyptusbäume angepaßt waren. Durch ihre ätherischen Öle beschleunigten sie Feuer so sehr, daß das Feuer bereits leichtendzündliche Nahrung mehr fand, bevor das Kernholz geschädigt werden konnte. Trocken aber war es durch das Zusammentreffen einer geringeren Niederschlagsrate durch global niedrige Temperaturen und eine Phase gesteigerter El-Nino-Aktivität, die zu wiederholten Häufungen von Dürrejahren führten. Möglicherweise setzten die Menschen auf diesen Effekt noch einen drauf, indem sie häufige Buschfeuer anzündeten. Die Buschfeuer sollten dafür sorgen, daß offene Landschaften entstanden, in denen leichter Nahrung gefunden wrden konnte und Feinde früher gesehen wurden. Im Zusammenwirken mit Dürren und El-Nino-Phasen veränderten sich dadurch Landschaften in ganz Australien und veränderten sich zu dem Bild, das wir heute vom wüstenreichsten und trockensten Kontinent haben. Die großen Pflanzenfresser starben aus, weil sie nicht mehr täglich etwas zu trinken fanden und ihre bevorzugte Nahrung vernichtet wurde. Und die großen Fleischfresser wie Megalania verloren ihre wichtigste Beute.

Seit jener Zeit war es in Australien wieder etwas feuchter geworden – zu spät für die ausgestorbenen Arten. Die größten überlebenden Arten sind das rote Riesenkänguruh, das sein Wasser schon aus seiner Nahrung gewinnen kann und das Leistenkrokodil in Rückzugsgebieten am Rande des Kontinents. Aber auch diese Entwicklung war nicht von Dauer. Bis vor kurzem galt Australien auch als großer Agrarproduzent. So war Australien lange Zeit der zweitgrößte Produzent von Weizen. Auch diese Ära nähert sich dem Ende.

Ob das Feuchteangebot in einem Gebiet für die Landwirtschaft ausreicht, hängt empfindlich von Niederschlag und Temperatur ab. Steigt die Temperatur, wächst die Verdunstung exponentiell an. Durch die wachsende Löslichkeit von Wasser in Luft bei steigenden Temperaturen kann zwar auch der Niederschlag anwachsen, aber die Niederschläge können durchaus auch in ganz anderen Gebieten niedergehen. Möglicherweise hat Australien gerade ein Optimum beim Feuchteangebot durchlaufen. Schon seit 7 Jahren spricht man in Australien von einer andauernden Dürre, die nur von unzureichenden Niederschlägen unterbrochen wurde. Die Nothilfen der australischen Regierung für Farmer gehen in die Milliarden Euro pro Jahr. Trotzdem sind schon über 10.000 landwirtschaftliche Betriebe in die Liquidation gegangen. Es geht nicht nur darum, daß durch die Dürre Höfe ihre Kosten nicht mehr hereinholen und daher in die Insolvenz gehen. Noch schlimmer ist, daß von den trockenen Böden der Mutterboden durch Wind aufs Meer hinausgetragen wird. Wenn dann wieder der Regen kommt, trifft er stellenweise nur noch unfruchtbaren Boden, der teilweise zudem durch Bewässerungsversuche versalzen ist.

Im Buch Kollaps zitiert Jared Diamond Quellen, nach denen die Tragfähigkeit Australiens über lange Zeiträume nur für 8 Millionen Menschen ausreicht, nicht die gut 21 Millionen Australier, die derzeit auf dem Kontinent leben wollen. In Wahrheit kann man aber nicht berechnen, wie viele Menschen Australien wirklich ernähren könnte, weil es ja nicht nur darum geht, wie trocken der Kontinent werden kann, sondern auch, wie viel Boden zerstört wird, bevor man lernt, ihn nachhaltig zu bewirtschaften.

Die dramatischen Auswirkungen der aktuellen Dürre beschreibt ein Artikel des Hamburger Abendblattes vom 19. Juni 2008. Demnach hofft man mit großen Bewässerungsprojekten und Wasser aus Tasmanien die Situation in den Griff zu bekommen. In der Rechnung taucht aber der Klimawandel als große Unbekannte auf. Jeder Grad Temperaturerhöhung schlägt sich als eine Verminderung des Wasserabflusses im Südosten (im wichtigsten Gebiet für Landwirtschaft) von 15% nieder, ein deutliches Zeichen für das verringerte Wasserangebot. Und Wissenschaftler sind sich sicher, daß die erhöhte Trockenheit kein vorübergehendes Ereignis ist, sondern wohl als Folge des Klimawandels von Dauer sein wird.

Es mag seltsam klingen, daß sowohl die letzte Eiszeit als auch die globale Erwärmung für Australien zu verstärkten Dürren führen, aber das Wasserangebot in Australien ist keine einfache lineare Funktion der globalen Temperatur. Niedrige globale Temperaturen führen zu generell weniger Niederschlägen, hohe globale Temperaturen können dazu führen, daß die Niederschläge an anderen Orten niedergehen und außerdem die Verdunstung erhöht ist. Für Australien zumindest scheint es ganz klar ein Klimaoptimum zu geben, und das ist vorüber.
Für die Welt stellt sich die Frage, was eigentlich passiert, wenn der zweitgrößte Weizenproduzent der Welt durch Bodenerosion, -versalzung und immer häufigere Dürren als Exporteur wegfällt, während die Weltbevölkerung weiter steigt? Die Frage im Titel ist daher falsch gestellt. Ist Australien vielleicht so ein Dominostein, der das Fallen einer ganzen Kette anstößt, in der China und Indien als nächstes kommen, dann die Nachbarstaaten und schließlich Europa?

Sonntag, 5. Oktober 2008

12% weniger Sonnenschein - Sommer wie vor 30 Jahren?

In den letzten Wochen war ich wieder intensiver in Sachen Qualitätsmanagement unterwegs, und deshalb hatte ich einige Zeit lang nichts posten können, obwohl sich mal wieder viel in Sachen Klimaänderungen getan hatte. Unter anderem ging es in Audits auch darum, dem Deutschen Wetterdienst den Weg zu ebnen, weitere Kalibrierungsverfahren für Meßsensoren zu akkreditieren. Im europäischen Vergleich steht der DWD sicher vorbildlich bei der Qualität seiner Meßinstrumente da, ohne daß ich jetzt hier ins Detail gehen möchte oder sollte. Bei der Gelegenheit erinnerte ich mich auch wieder einer Schriftenreihe, die über das DWD-Webportal frei zugänglich ist.

Der DWD betreibt im Rahmen des Global Atmosphere Watch am Meteorologischen Observatorium Hohenpeißenberg (auf einem Berg im Alpenvorland) die Messung von Spurengasen mit dem Ziel, mehr über die globale Hintergrundatmosphäre abseits menschlicher Quellen zu erfahren. Aus der Auswertung der so gemessenen Daten entstehen die GAW-Briefe. Im aktuellen GAW-Brief wurde der Zusammenhang zwischen der gesamten Sonnenscheindauer und der mittleren Temperatur im Hochsommer untersucht. Dabei stieß man auf eine schöne Verdeutlichung des Klimawandels.

Das Ergebnis ist, daß inzwischen die gleiche mittlere Temperatur im Hochsommer mit erheblich weniger Sonnenschein erreicht wird bzw. die gleiche Sonnenscheindauer nun zu deutlich höheren mittleren Temperaturen führt. Das war zu erwarten, da ja durch den Treibhauseffekt zum einen der globale Hintergrundwert der Temperatur ansteigt (die Meere sind wärmer geworden), aber auch die Abkühlung in den Nächten durch Abstrahlung in den Weltraum behindert wird. Aber hier wird auf originelle Weise gezeigt, daß im Zuge der Klimaänderung sich etwas fundamental geändert hat.

Im GAW-Brief wird auch das Verhältnis von Sonnenscheindauer zur Temperatur für über 70 Jahre als Zeitreihe gezeigt. Das Ergebnis ist, daß durch den Treibhauseffekt innerhalb von 3 Jahrzehnten eine um 12% verminderte Sonneneinstrahlung ausreicht, um die gleiche Temperatur im deutschen Hochsommer zu erzeugen. Das ist mal recht anschaulich.